Ensemble Resonanz – Riccardo Minasi
Als Carl Philipp Emanuel Bach 1775/1776 an seinen „Vier Sinfonien mit zwölf obligaten Stimmen“ komponierte, grassierte in Europa das Werther-Fieber, ein Ausdruck des Zeitgeist in theatralisch zur Schau gestellten Gemütsbewegungen, während sich zugleich die Vorzeichen kommender Umbrüche und eines grundlegenden politischen und gesellschaftlichen Wandels mehrten. Das moderne Sinfonieorchester hat in dieser Zeit seine Wurzeln, die damals üblichen reinen Streichorchester wurden um Bläser erweitert – das „Sturm und Drang“-Lebensgefühl konnte so durch einen vielfältigeren Klang und die größere Dynamik ausgedrückt werden. Publikum und Kritiker wie Christian Schubart, waren begeistert vom Spiel des damals herausragenden Mannheimer Orchesters: „Die blasenden Instrumente sind alle so angebracht, wie sie angebracht sein sollen: Sie heben und tragen oder füllen und beseelen den Sturm der Geigen.“
Mit seinen Orchestersinfonien Wq 183 stellte auch Carl Philipp Emanuel Bach sich der Herausforderung, Sinfonien für ein volles, aus Streichern und Bläsern zusammengesetztes Orchester zu schreiben. Sein vorangegangener Sinfonienzyklus Wq182, die sechs „Hamburger Sinfonien“ war nur für reines Streichorchester konzipiert gewesen. Im Orchester von Wq 183 sind Hörner und Holzbläser nicht länger ein bloßer Zusatz, sie verdoppeln und verstärken nicht nur die Parts der Streicher, sondern haben von vorneherein auch eine eigenständige Funktion. Damit und mit den höchst emotionalen Erregungs- und Entspannungszuständen waren diese Kompositionen richtungsweisend, Klangfarbe, Lautstärke und Harmonik werden dabei zu zentralen Gestaltungselementen. So sind die 4 Sinfonien ein Gefühlsfeuerwerk geworden: Spannungsvoll, tieftraurig und überbordend fröhlich. Zu den charmanten Neuentdeckungen, die man in C. P. E. Bachs Schaffen machen kann, zählen die in Hamburg entstandenen sechs Kleinen Sonaten für Bläser (2 Hörner, 2 Flöten, 2 Klarinetten und Fagott) Wq 184 aus dem Jahr 1775 die erstmals in dieser Einspielung zu hören sind. Womöglich muss man diese Bläserarrangements als Fingerübungen in Sachen Bläserensemble und Vorbereitung auf die 1775 begonnenen Orchestersinfonien Wq 183 mit ihren obligaten Bläserparts betrachten. In jedem Fall bezeugen sie Bachs verstärktes Interesse am Bläserklang. Damit lag er voll im Trend, der durch Mozart fortgeführt wurde. Aber der „Hamburger Bach“ war den Wienern da um einige Jahre voraus. Wie hatte Mozart selbst so schön über Bach gesagt: „Er ist der Vater, wir sind die Bub’n.“ Das Streichorchester Ensemble Resonanz ist demokratisch organisiert und arbeitet ohne festen Dirigenten, holt sich aber immer wieder künstlerische Partner wie die Bratschistin Tabea Zimmermann, den Cellisten Jean-Guihen Queyras oder Riccardo Minasi an Bord. Zudem laden die Streicher je nach Repertoire international gastierende, befreundete Musiker hinzu und erweitern ihren Klang, wie auch in der vorliegenden Aufnahme durch die Einbindung der Bläsersolisten. Ensemble Resonanz wird ab 2017 Residenzorchester der Elbphilharmonie Hamburg mit einer eigenen Konzertreihe im Kleinen Saal. 2016 erhielt es für die Konzertreihe „Urban String“ den Classical:NEXT 2016 Innovation Award.
Der Dirigent und Geiger Riccardo Minasi hat sich in kurzer Zeit den Ruf als eines der außergewöhnlichsten Talente der Europäischen Musikszene erarbeitet. Unter seinen vielen Preisen stechen besonders der Diapason d’Or of the year 2015, der BBC Music magazine Award und der Grammophone Choice hervor. Für die Produktionen “Catone in Utica”, “Giovincello” und “Haydn concertos” erhält er am 9. Oktober 2016 mehrere Echo-Klassik Preise.