Hamburger Symphoniker – Jeffrey Tate, Dirigent – Deborah Voigt, Sopran
Die Konzerte der Hamburger Symphoniker sind immer wieder bemerkenswert – Intendant Daniel Kühnel und der renommierte Orchesterchef Jeffrey Tate haben sich seit Beginn ihrer Zusammenarbeit im Jahre 2009 mit der profilierten Programmgestaltung für ihr Orchester einen herausragenden Namen gemacht. Und sie gehen ungewöhnliche Wege: Um das Live-Konzert in der Hamburger Laeiszhalle am 19.2.2012 für eine DVD aufzeichnen zu können, wählten sie als erste Institution der klassischen Musikbranche Deutschlands die Teilfinanzierung über Crowdfunding – eine neue Form der Spendensammlung im Internet. Dieses Konzert war schon allein durch die Solistin – die in Amerika überaus erfolgreiche und geschätzte Sopranistin Deborah Voigt – etwas Besonderes. Das Konzert wurde ein großer Erfolg. »Sopran-Superstar Voigt und Maestro Tate begeistern« titelte Maria Baufeld von der Welt am 21.2.2012.
Jeffrey Tate reizte die Aufgabe, symphonische Werke zum Thema Götter zusammenzustellen. So kam der erfahrene Wagner-Interpret auf die Idee, Wagners apokalyptische Götterwelt mit Auszügen aus der Götterdämmerung Strawinsky´s Ballett Apollon Musagète gegenüber zu stellen. 1928 wollte Igor Strawinsky den Mythos über den antiken griechischen Gott und Beschützer der Künste Apollon im Ballett Apollon Musagète in einer besonders klaren Musiksprache komponieren. Nach seinen opulenten Balletten Petrouchka und Sacre du Printemps wandte sich Strawinsky ab 1920 dem Neoklassizismus zu. Seine Abkehr von romantischer Überladenheit führte ihn zu einer neuen kompositorischen Leichtigkeit. Strawinsky stellt im_ Apollon Musagète_ die reine, ideale Welt der Götter und ihre Liebe zu den Künsten dar: Das Ballett beginnt mit der Geburt und dem Heranwachsen Apollons, der dann den nacheinander auftretenden Musen Calliope, Polyhymnia und Terpsichore ihre jeweiligen Künste Dichtkunst, Pantomime und Tanz zuteilt, die sie in Variationen ausdrücken. Den Schluss bildet eine Apotheose als Huldigung des Göttervaters Zeus. In Richard Wagners viertem und letztem Teil des Rings, der Götterdämmerung, ist auch vielleicht der Rest eines göttlichen Paradieses Ausgangspunkt, beim Sonnenaufgang zu Beginn des ersten Aktes; als Siegfried Brünnhildes Felsen verlässt, um in der Welt Abenteuer eines jungen Helden zu bestehen. Aber Richard Wagners Götter erleben und durchleiden menschliche Tragödien. Sie sind dadurch dem Untergang geweiht. Mit dem Ring des Nibelungen setzte Wagner neue musikalische Maßstäbe, u.a. durch die Aufgabe der herkömmlichen Nummernoper mit Rezitativen, Arien, Ensembles und Chören. Das dichte Geflecht von Leitmotiven ergibt eine gleichsam symphonische Konstruktion des musikalischen Ablaufs, in den sich die Gesangsstimme als ein Element unter vielen harmonisch einfügt. Dadurch ist Wagners Musik ideal für eine Aufführung im Konzertsaal. Aus diesem symphonischen Ablauf hat Jeffrey Tate markante Situationen ausgewählt. Die Figur der Brünnhilde steht exemplarisch für die starken Frauengestalten in Wagners Opern, die durch ihr Opfer den durch Größenwahn und Machtgier in unauflösbare Konflikte verstrickten Männern zur Erlösung verhelfen. Daniel Kühnel und Jeffrey Tate konnten sich keine Bessere für die Besetzung der Brünnhilde wünschen als Deborah Voigt, die seit der Spielzeit 2011/12 diese Rolle im sensationellen Ring von Robert Lepage an der Metropolitan Opera singt. Dass ihr Wunsch in Erfüllung ging, das Konzert ein Erfolg und die Finanzierung der Produktion geklappt hat, grenzt an ein kleines Wunder. Göttliche Intervention? Vielleicht. Aber auch Glück und menschliches Können.