Dagmar Lübking, Orgel
Bei dem Orgelneubau 1558 in der Möllner Nikolaikirche übernahm Jacob Scherer aus dem Vorgängerbau Pfeifen von 1436 – vermutlich die ältesten bekannten gotischen Orgelpfeifen Norddeutschlands. Die Organistin Dagmar Lübking hat für Ihre Einspielung an der nun vollständig restaurierten und im Mai 2022 fertiggestellten Scherer-Bünting-Orgel Werke ausgewählt, die den Klangreichtum und die außergewöhnliche, fast 600jährige Geschichte dieser einzigartigen Orgel dokumentieren.
Die Scherer-Bünting-Orgel in der St. Nikolaikirche in Mölln und ihre Restaurierung duch die Firma Flentrop ist ein einzigartiges Ereignis, nicht nur im norddeutschen Raum. Sie ist mit den noch in der Möllner Orgel erhaltenen und dazu den aus Kappeln an der Schlei übernommenen Pfeifen, die bei der dortigen Restaurierung aus stilistischen Gründen keine Verwendung fanden, die einzige erhaltene Orgel von Jacob Scherer.
Die Familie Scherer mit Jacob Scherer, seinem Sohn Hans Scherer (dem Älteren) und dessen Sohn Hans (dem Jüngeren) prägte den Orgelbau in Hamburg und Umgebung im 16. und der ersten Hälfte des 17. Jhd. Zusammen mit niederländischen Einflüssen entwickelte sich daraus der norddeutsche Orgeltypus mit dem “Hamburger Prospekt” : mit Hauptwerk, Rückpositiv und einem eigenständigen Pedal in zwei Türmen rechts und links vom Hauptwerk.
Aufgrund einiger Glücksfälle in der Entstehungsgeschichte nimmt die Möllner Orgel heutzutage eine herausragende Stellung in der norddeutschen Orgellandschaft ein: Bei dem Orgelneubau 1558 in der Möllner Nikolaikirche übernahm Jacob Scherer aus dem Vorgängerbau Pfeifen von 1436 – vermutlich die ältesten bekannten gotischen Orgelpfeifen Norddeutschlands. Im 16. Jahrhundert baute Hans Köster ein Rückpositiv, im 17. Jhd erweiterte der Lübecker Orgelbauer Friedrich Stellwagen das Hauptwerk und Pedal und fügte ein Brustpostiv hinzu, wiederum unter Verwendung alter Pfeifen. Ein Orgelneubau im 18. Jahrhundert durch den Orgelbauer Christoph Julius Bünting gab dem Instrument mit einem neuen Gehäuse einen spätbarocken Charakter. Auch er übernahm Pfeifen der Orgelbauer der vergangenen Jahrhunderte. Nach verschiedenen Restaurierungen zu Beginn des 19. Jahrhundert, Umbauten und Erneuerungen im 19. und 20. Jhd. durch Marcussen, Tolle und Neuthor begann zu Beginn des 21. Jhd. die Überlegung einer grundlegenden Restaurierung – auch dringlich geworden durch den schlechten Zustand der Orgel. Bei der Frage, auf welchen Zustand die Orgel zurückgeführt werden solle, entschied man sich schnell für die Wiederherstellung des spätbarocken Konzeptes Büntings. Der Firma Flentrop ist es nun in ausgezeichneter Weise gelungen, eine Synthese aus den vergangenen Jahrhunderten bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert herzustellen und trotzdem die Eigenständigkeit der Registerfarben aus den unterschiedlichen Epochen zu wahren, so daß die Orgel in idealer Weise für die Darstellung der Musik des 16.- 18. Jahrhunderts geeignet ist.