Klischees über die Harfe wie »das Instrument der Engel und Götter« stören Anaëlle Tourret nicht, sie gehören einfach dazu und haben zweifellos ihre (historisch-kulturelle) Berechtigung. »Man hat dieses Bild von einer Harfe, von einem Salon-Instrument, das märchenhaft ist. Das stimmt auch und gehört zu unserer Geschichte, aber das ist sie nicht nur. Ich möchte diese Perspektive weiter öffnen.« So konnte sich die Harfe spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts etwa auch im Konzertsaal als Soloinstrument mit Orchesterbegleitung etablieren. Daher lässt Tourret ihrem gefeiertem CD-Debüt mit Solo-Literatur nun die Einspielung dreier konzertanter Werke folgen – ein fesselndes Hörvergnügen mit Verblüffungspotenzial.
Dem norddeutschen Konzertpublikum dürfte Anaëlle Tourret bestens bekannt sein: Denn seit 2017 spielt sie als Soloharfenistin des NDR Elbphilharmonie Orchesters in Hamburg, wo die ehemalige Gewinnerin des Berenberg Kulturpreises (2019) zudem an der dortigen Musikhochschule einem Lehrauftrag nachgeht. Die Meisterschülerin von Xavier de Maistre zählt längst zu den führenden Harfensolistinnen ihrer Generation – und ist viel gefragter Gast in den Konzertsälen der Welt von Luzern über Berlin bis Tokio. Ebenso erfolgreich war 2021 Tourrets erster Ausflug ins Tonstudio: Ihr Album »Perspectives« mit Originalwerken für Soloharfe von André Caplet, Paul Hindemith, Benjamin Britten und Heinz Holliger erhielt die Nominierung für den International Classical Music Award 2023. Harald Eggebrechts Rezensionsresümee in der SZ lautete seinerzeit kurz und knapp »Vortrefflich«, und auf orchestergraben.com war zu lesen: »Anaëlle Tourret lebt für ihr Instrument, und sie möchte damit weder in einem elitären Kreis Kulturschaffender bleiben, noch begnügt sie sich damit, das angestaubte Image der versonnen sphärischen Harfenklänge auszufüllen. Nein, Tourret hat viel mehr vor. Sie will ihre Begabung nutzen, um uns allen weitere und weite Spektren und Dimensionen ihres Instrumentes zugänglich zu machen …« Und da schließt nahtlos ihr neues Studioprojekt an – programmatisch konsequent erneut mit »Perspectives« betitelt und nun mit dem Zusatz »concertantes« versehen.