Die vierte Einspielung des NDR Chores unter der Leitung von Philipp Ahmann für das Label ES-DUR widmet sich ganz der farbenreichen Palette der französischen Chormusik. Der Begriff Chanson steht für ein aus dem französischen Kulturkreis stammendes musikalisches Genre, bei dem ein Sänger instrumental begleitet wird. Seine Ursprünge reichen jedoch weit in die Vergangenheit und bereits im Mittelalter entwickelten sich unterschiedliche Strömungen des Chansons: Neben dem volkstümlichen Lied existierten auch höfisch-literarische und von Troubadouren vorgetragene Varianten. In Verbindung mit der Langue française, der französischen Sprache als äußerst klangvolles und melodiöses Idiom geht das Chanson auch in der Chormusik eine faszinierende Liaison ein, die Komponisten klassischer Musik immer wieder zu entsprechenden Liedkompositionen inspirierte.
Paul Hindemiths Six chansons bestechen durch ihre Kürze und erweisen dem Chor-Chanson der von Hinde-mith geschätzten französischen Musik ihre Reverenz. Die von Hindemith vertonten Verse für seine Six chan-sons schrieb Rainer Maria Rilke im Schweizer Kanton Wallis, wo sich im Sommer 1939 auch der südfranzösi-sche Komponist Darius Milhaud aufhielt. Und so, wie der Chorleiter Georges Haenni bei Hindemith nach jenen Chansons angefragt hatte, wandte er sich auch an Milhaud, der ebenfalls Rilke-Verse für die Quatrains Valaisans (Wallisische Vierzeiler) wählte.
Neben den auf Gedichte von Apollinaire und Éluard geschriebenen Sept chansons von Francis Poulenc aus dem Jahr 1936 erklingen auf der CD auch die zu Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Trois Chansons de Charles d’Orléans von Debussy (1908) sowie die Trois Chansons von Maurice Ravel (1914/15).
Die Zwei Chorstücke, op. 68 – entstanden gegen Ende 1882 – stellen im Gesamtwerk von Camille Saint-Saëns eine Besonderheit dar, eröffnen sie doch eine Ausdruckstiefe, die dem Schöpfer des „Karnevals der Tiere“ bis heute eher abgesprochen wird. Auf vermutlich selbstgedichtete Verse beschreibt er Les fleurs et les arbres (Die Blumen und die Bäume) und stellt dem grell lärmenden Alltag die sehr innige Stimmung der Calme des nuits (Stille der Nacht) entgegen.
Der Chor-Zyklus Le Bestiaire des französischsprachigen belgischen Komponisten Jean Absil aus dem Jahr 1944 bewegt sich harmonisch in den tonalen Grenzen, in denen auch Milhaud und Poulenc komponiert haben, allerdings ebenso angereichert wie bei jenen mit Klängen aus dem Bereich des Jazz und der Unterhaltungsmu-sik.
Die Avantgarde wird auf der CD von Philippe Schoeller vertreten. Sein 2002 vollendetes Werk Cantate Isis für Fagott und gemischten Chor hatte im Oktober 2013 im NDR seine deutsche Erstaufführung.