Künstler

Steffen Schleiermacher
Holger Falk
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Johannes Kalitzke
Jan Philipp Reemtsma

Genre

20. Jh. - Kammermusik - Klavier - Orchester

Format

CD

Ausstattung

1 CD - Spielzeit 77:03 - Digipak - Booklet 28 Seiten - Text von Steffen Schleiermacher in Deutsch, Englisch

Veröffentlichung

14.10.2016

Aufnahme-Details

Produktion: 2012, 2016
Studio Gärtnerstraße, rbb Saal 1, Berlin
Co-Produzenten Deutschlandradio: Olaf Wilhelmer, Stefan Lang
Tonmeisterin: Karola Parry
Toningenieure: Bernd Friebel, Henri Thaon
Schnitt, Mastering: Karola Parry

Katalognummer

ES 2069

EAN

4015372820695

Hans Jürgen von der Wense

Hans Jürgen von der Wense in einem Brief vom September 1919 an Eduard Erdmann: „ …
Es ist mir übrigens völlig gleich, ob jemand in C-Dur oder in Dissonanzen wie ich schreibt. Nein – eine Diktatur der Seele muß da sein. Sehen Sie, das ist es: das einzige Kriterium für mich in Kunst, es müssen neue Situationen geschaffen werden, neue Visionen …
… Das ungeheuerlichste enervierendste und doch satteste einsamste abgesprungenste an Musik das mir alle 9 Sinfonien Beethovens völlig ersetzt ist wenn man in Abständen von ½ Minute mit einer lose pendelnden Messerspitze an ein Blechsieb (…) klopft (…) – wie Autodafé…“

Blechsieb, Standuhr – in zahllosen Briefen schreibt Hans Jürgen von der Wense von Stücken mit ungewöhnlicher Instrumentation – von Schreibmaschinen ist da die Rede, auch von Weckern. Doch hat leider fast nichts davon überdauert – darunter die „Musik für Klavier, Klarinette und Blechsieb“ und die „Musik für Klavier III“, für Orchester arrangiert. Was wollte Wense nicht alles komponieren, schreiben, nachdichten, enzyklopädisch aufbereiten! Ihm ging es um den Klang der Dinge, um die „Musik von Dingen“, um den Klang der Welt. Wenig davon ist über das Stadium des immensen Sammelns hinausgekommen. Und wenig ist über Hans Jürgen von der Wense und sein Werk in der Öffentlichkeit bekannt.

Geboren 1894 in Ostpreußen verlor Hans Jürgen von der Wense mit 8 Jahren seinen Vater, die Mutter wurde wenig später in die Psychiatrie eingewiesen. Wense wächst bei Verwandten in Mecklenburg auf. In Schwerin und Berlin zwischen 1915 und 1922 war seine kompositorisch produktivste Zeit. Seine Kompositionen waren anders, provozierten sogar einen Skandal mit der Groteske “Ich hatt’ einen Kameraden“ für Klavier. Wense nannte sich selbst Dadaist, schwankte zwischen Musik und Literatur, begann vieles, beendete wenig. Er bewunderte Schönberg, erlag bei seinen Klavierstücken aber nicht der Versuchung, Schönberg zu kopieren. Auch bei der, in den frühen 20er Jahren entstandenen, „Musik für Klavier und Gesang I-III“ ist sowohl in der Stimmbehandlung als auch in der Klavierbegleitung die Beeinflussung von Arnold Schönberg und dem frühen Expressionismus zu hören. Einzig von der „Musik für Klavier III“ existiert die Partitur einer Orchesterversion („Musik für Orchester I“) datiert 1919, bei der der Klang einer Standuhr und ein Pistolenschuss in der Partitur zu finden sind. Steffen Schleiermachers Bearbeitung der restlichen Stücke der „Musik für Klavier“ von 1915 verwendet exakt die gleiche Orchesterbesetzung und versucht, den instrumentalen Gedankengängen Wenses zu folgen, die er in seiner eigenen Bearbeitung gegangen ist.
Vielleicht hätte sein Lebenslauf nach seinen kurzen Erfolgen ganz anders verlaufen können? Musiker wie Hermann Scherchen, Eduard Erdmann oder Hans Heinz Stuckenschmidt witterten in Wense Eigenwilligkeit, Zukünftigkeit und Aufbruch aus dem Verfall. Auf einem Bild von 1922 sitzt er selbstverständlich in der Mitte neben Hindemith und Krenek. Doch enttäuschte er bei in Donaueschingen, er hatte sich zu dem Zeitpunkt schon wieder von dem Dadaistischen – Futuristischen abgewandt. Danach entstanden nur wenige Neukompositionen, er begann zu wandern, arbeitete an Enzyklopädien, übersetzte Texte. 1956 entwickelte Wense das „All-Buch“, das seine Texte und Fundstücke ordnen soll, es blieb allerdings wie fast alles aus seiner Feder unvollendet. Gestorben ist er am 9. November 1966 in Göttingen. Das Wense Forum Kassel feiert seinen 50. Todestag mit einem Symposium vom 27. bis 28. Oktober 2016 unter dem Titel: „Die Erde feiern. Kraftfelder und Korrespondenzen im Werk Hans Jürgen von der Wenses“.

Die Interpreten um den Pianisten und Komponisten Steffen Schleiermacher sind: Holger Falk, Bariton, Echo Klassik Preisträger 2016, der Dirigent und Komponist Johannes Kalitzke, das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und Walter Seyfarth, Klarinette. Der Germanist Jan Philipp Reemtsma, der u. a. die „Arno Schmidt Stiftung“ gegründet hat, hat sich für die Lesung des Briefes von Hans Jürgen von der Wense an Eduard Erdmann spontan bereiterklärt.


Musik für Klavier I-V (1915)
1I Rasch 00:28
2II Leicht01:33
3III Gelassen 02:35
4IV Bewegt 01:05
5V Sehr angestrengt03:13
6Brief an Eduard Erdmann08:07
7Musik für Klavier Nr. 13 (für Walter Spies)01:38
8Ich hatt’ einen Kameraden (1919). Groteske für Klavier (Eduard Erdmann zugeeignet)01:04
Musik für Gesang I-III
9I Ganz leicht01:04
10II Gelassen, doch oft mit großer Energie der Empfindung01:50
11III Fast leichtsinnig bewegt01:18
12Klavierstück Warnemünde 192603:21
Drei Lieder nach William Butler Yeats
13I To This Heart. “Be you still...”04:29
14II “O sweet everlasting voices...“04:18
15III He Thinks of his Past Greatness. “I have drunk ale...“04:44
Zwei Klavierstücke nach Wilhelm Klemm
161. Ruhig07:31
172. Sostenuto11:00
18Brief an Eduard Erdmann08:36
19Musik für Klavier, Klarinette und Blechsieb01:18
Musik für Klavier I-V instrumentiert für Orchester von Steffen Schleiermacher (2016)
20I Rasch 00:33
21II Leicht01:10
22III Gelassen 01:53
23IV Bewegt 00:58
24V Sehr angestrengt02:09

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